Energiewende zu Hause: Beim Smart Grid kann jeder mitmachen
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Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet rasant voran und stellt unser Stromnetz vor neue Herausforderungen. Es ist Zeit zum Umdenken, und wirklich jeder von uns kann helfen.
Unsere Energieproduktion befindet sich in einem dringend notwendigen Wandel. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden an diesem Montag 64 % des Stroms im Land aus erneuerbaren Quellen erzeugt – etwa 15 % mehr als im Vorjahr. Das sind gute Nachrichten, aber auch eine Herausforderung. Denn erneuerbare Energiequellen haben das große Problem, dass sie nicht kontrolliert werden können.
Beispielsweise können wir je nach Bedarf einfach mehr Brennstoff in ein Kraftwerk mit fossilen Brennstoffen leiten und erhalten so mehr Strom. Aber Sonne und Wind können nicht kontrolliert werden; Sie lassen sich bestenfalls für einige Stunden oder Tage vorhersagen.
Das bedeutet wiederum, dass wir die Energieproduktion nicht wie bisher an den Verbrauch in Spitzenzeiten anpassen müssen, sondern den Energieverbrauch an die Verfügbarkeit anpassen müssen. Dabei ist das Smart Home ein ganz großer Baustein – und es gibt noch unendlich viel zu tun.
Natürlich sind die Energiequellen in den USA ganz anders als in Europa, mit einem Mix von etwa 60 % für fossile Brennstoffe und etwa 21,5 % für erneuerbare Energien im Jahr 2022. Und der Anteil variiert stark je nach Bundesstaat, von denen einige auch so sind so groß wie ein europäisches Land.
In Deutschland wird Strom an der Energiebörse EEX in Leipzig gehandelt; Die stundenweise variierenden Preise werden in einer Auktion am Vortag um 12:00 Uhr ermittelt und ab 12:40 Uhr bekannt gegeben. Je höher der Anteil erneuerbarer Energien, desto größer sind die Schwankungen. Das müssen wir ausnutzen.
Das Konzept ist in den USA als Time-of-Use (TOU) bekannt und wird durch intelligente Zähler ermöglicht, die Option ist jedoch nur bei einer begrenzten Anzahl von Energieversorgern in ausgewählten Bundesstaaten der USA verfügbar.
Auf der anderen Seite des großen Teichs gibt es jedoch bereits mehrere Anbieter variabler Stromtarife, beispielsweise das Berliner Start-up Tibber. Dabei zahlen die Kunden einen monatlichen Grundpreis, alle anderen Kosten werden direkt weitergegeben – Steuern, Netzwerkgebühren usw. kommen zum eigentlichen EEX-Börsenpreis hinzu.
Ein solcher Tarif ist der einfachste und direkteste Weg, alle einzubeziehen. Durch die Belohnung des Energieverbrauchs zum richtigen Zeitpunkt lässt sich dieser steuern – denn wer mitmacht, kann viel Geld sparen.
Die Möglichkeiten sind endlos. Ob sich der smarte Geschirrspüler tagsüber automatisch zum günstigsten Zeitpunkt einschaltet, das Elektroauto möglichst günstig die Batterie auflädt oder die Wärmepumpe zum richtigen Zeitpunkt den gut isolierten Warmwasserspeicher aufheizt. Es ist alles nur eine Frage der Kontrolle.
Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt, der ebenso viel Potenzial bietet: Sie können Strom aus jeder Steckdose beziehen – und ihn über einen netzsynchronisierten Wechselrichter über jede Steckdose auch wieder ins Hausnetz einspeisen. So könnten zu günstigen Zeiten die Batterien zu Hause aufgeladen werden und der Strom dann zu hochpreisigen Zeiten ins heimische Stromnetz eingespeist und anstelle des teuren Netzstroms genutzt werden. Natürlich gibt es hier einen gewissen Umwandlungsverlust von Wechselstrom zu Gleichstrom und zurück zu Wechselstrom. Aber typischerweise liegt der Wirkungsgrad guter Wechselrichter für einen Hin- und Rücklauf durch die Batterie bei etwa 80 %.
Theoretisch könnte günstig eingekaufter Strom sogar über das Hausnetz ins Stromnetz zurückgespeist werden, idealerweise natürlich dann, wenn das Netz einen Energiebedarf hat oder der Energiepreis hoch ist. Mit Solarzellen oder Heimenergiespeichersystemen ist dies bereits möglich. Und mit dem bidirektionalen Laden von Elektroautos nutzen einige Leute Elektroautos bereits als Notstrombatterie für das Stromnetz, auch wenn dabei die Gefahr besteht, dass die Garantie erlischt.
Nur um eine grobe Vorstellung vom Potenzial zu geben: Anfang 2023 wird die Zahl der E-Autos auf dem deutschen Markt die 1-Millionen-Grenze geknackt haben. Gehen wir von einer durchschnittlichen Batteriekapazität von 65 kWh aus, kommen wir auf insgesamt 65 GWh. Nur zum Vergleich: Deutschlands größtes Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal hat eine Kapazität von „nur“ 1 GWh. Die Dimensionen sind also enorm, auch wenn E-Auto-Nutzer nur einen kleinen Teil ihrer Autobatterie zur Verfügung stellen, um immer ausreichend Reichweite zu haben.
Auch die in den letzten Jahren so beliebten Kraftwerke könnten als Speicher ans Netz gebracht werden. Dank der immer weiter verbreiteten LiFePO4-Technologie überstehen moderne Kraftwerke problemlos ein Jahrzehnt tägliches Laden und Entladen – und könnten als Teil eines dezentralen Pufferspeichersystems dem Nutzer sogar Geld einbringen. Es genügt ein Batteriewechselrichter wie der EcoFlow PowerStream, um den gespeicherten Strom nicht nur in das Hausnetz, sondern auch in das Stromnetz einzuspeisen.
Das Startup Daylight.eco hat genau ein solches Produkt im Sinn. Im Spätsommer dieses Jahres will das Startup eine Batterie auf den deutschen Markt bringen, die nichts anderes tut, als günstig zu tanken und den Strom später wieder ins heimische Stromnetz einzuspeisen. Wie bei einem Balkonkraftwerk soll sich die Anschaffung schon nach wenigen Jahren amortisieren, dem Nutzer Geld sparen und gleichzeitig das Netz entlasten.
Was steht also einem Netz im Weg, das sich als Ganzes intelligent reguliert? Wir brauchen flächendeckend die entsprechende Hardware – also zumindest digitale Stromzähler, die bei Bedarf über ein zusätzliches Gadget wie den Tibber Pulse den Verbrauch stündlich protokollieren. Leider unterscheiden sich die derzeit beispielsweise in den USA installierten Smart Meter stark hinsichtlich der unterstützten Protokolle, der Interoperabilität und, wie üblich, regulatorischer Aspekte.
Besser als ein reiner Verbrauchszähler wären allerdings flächendeckende Zwei-Wege-Zähler, wie sie für Besitzer von Solaranlagen längst Pflicht sind. Damit ließe sich nicht nur der Verbrauch genau messen, sondern auch die Einspeisung – und diese würde natürlich auch entsprechend vergütet.
Anstelle einer festen Einspeisevergütung brauchen wir – ebenso wie bei den Verbrauchstarifen – auch eine variable Einspeisevergütung, die die Anschaffung von bidirektionalen Wallboxen oder Kraftwerken in die Lage versetzt, Strom ins Netz einzuspeisen – und damit eine dynamische Entlastung das Stromnetz – attraktiv.
Doch auf dem Weg dorthin gibt es immer noch viel bürokratischen Aufwand, denn selbst europäische Länder kämpfen immer noch mit der Bürokratie bei der Regulierung der Einspeiseregeln. In den USA ändern sich die Einspeisetarifregeln auf staatlicher Ebene stark, wobei die meisten Gesetzentwürfe auf größere Anlagen abzielen und nicht auf Hausbesitzer.
Wenn wir etwas wirklich Großes schaffen wollen – und das ist die Energiewende –, dann müssen alle mitmachen; und es liegt an der Regierung, jeden zur Teilnahme zu ermutigen und zu ermöglichen. Dynamische Stromtarife werden sich in Deutschland in naher Zukunft weiter verbreiten, und wir brauchen Möglichkeiten, sie optimal zu nutzen. Vor allem die bürokratischen Hürden müssen gesenkt werden.
Dank der aktuellen PV-Strategie der Bundesregierung wird es jedenfalls in naher Zukunft einige Fortschritte bei der Bewältigung der bürokratischen Hürden geben, insbesondere im Hinblick auf Plug-in-Solaranlagen und Balkonkraftwerke. Doch das alles sind nur die ersten Schritte und noch nicht das Ziel. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns und wir müssen alle gemeinsam kleine Schritte gehen – und wir von NextPit wollen ein Teil davon sein.
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